Stoffspielereien Oktober 2015: Spitzen

DSC_0382 b“Spitzen sind ein eindeutiges Statement. Sie können nach unten weisen, nach vorne gerichtet, abwehrend in alle Himmelsrichtungen ragen, oder auch keck himmelwärts streben.

Spitzen kann man dezent verführerisch darunter tragen, so dass sie ‘blitzen’, oder auch mit List und Bedacht vollständig dem arglosen Blick entziehen.
Man kann sie aber auch unübersehbar bis schamlos zur Schau stellen. Spitzen haben, verhüllt wie unverhüllt, etwas aufreizendes, provokatives.

Man kann sie als Plattform zur strahlenden Selbstinszenierung nutzen, oder sich vergeblich an ihnen abarbeiten. Spitzen sind geeignet, zum Widerspruch, gar zum Widerstand zu animieren, ebenso wie sie den geordneten Rückzug angeraten erscheinen lassen können. Oft genug üben sie eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus, man kann sich daran messen, versuchen, sie zu übertreffen, man kann aber auch an ihnen scheitern.”

(aus: Ulmer Spitzen – Erlesenes aus der Region – Edition 1, Siegfried Galter, 2015, Book on Demand, Norderstedt, Seite 7)

“Spitzen” sind das heutige Thema der monatlichen Stoffspielereien, heute gesammelt von KaZe.

DSC_0377 bSpitzen sind ja nicht mein bevorzugtes Gestaltungselement, zu verspielt, zu altmodisch. Was ich gerne mag, sind Kleider aus leicht elastischer Spitze. Davon besitze ich zwei schöne gekaufte in hübscher Etuiform, gern getragen zu Hochzeiten, Konfirmationen,… Daher wollte ich mir kein solches Spitzenkleid nähen, ich brauche kein drittes. Was dann? Wie immer in solchen unschlüssigen Überlegen, frage ich meine Mutter nach ihren Schätzen. Und sie hatte welche:

Eine bestickte Schachtel mit allerlei Bändern und Litzen:

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Und ein unscheinbarer Karton, voll mit alten, mittelalten und neuen Schätzen:

DSC_0303 bDa fanden sich Klöppel-, Häkelspitzen und anderes:
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Cool fand ich diese goldene Borte, vermutlich der Überrest einer Trachtenarbeit:

DSC_0307 bDoch es waren immer nur wenige Zentimeter Spitze, aber schön zum Anschauen.

Beim Überlegen fiel mir dann auch das Taufkleid ein, das ich vor 11 Jahren für unseren dritten Sohn nähte – wohl das einzigste Mal, das ich Spitze für meine Jungs vernäht habe:

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Genäht mit Biesen und einer Art Rollsaum an der Seite, das ging damals mit meiner alten Bernina einwandfrei. Für Drunter gab es einen weißen Strampler aus Nicki.

Irgendwann setzte sich in meinem Kopf die Idee fest, Spitze selbst zu machen und an einem “normalen” Kleidungsstück zu verwenden.
Vor 20 Jahren strickte und häkelte ich viele feine Strickarbeiten. Das nannte man damals Strick- oder Häkelspitze, heute würde man wohl Lace dazu sagen. Ich habe aus dieser Zeit noch viele Reste feinen Garns, hauptsächlich in weiß. Nach dem Kauf einer feinen Häkelnadel (die von früher war unauffindbar) ging es los mit der Häkelei:

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Relativ zügig hatte ich vier Streifen beieinander:

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Da ich diesen Schnitt schon öfter genäht habe (hier), konnte ich die Länge der einzelnen Spitzenstreifen gut bestimmen. So gab es eine saubere Kante und ich musste die Kanten nicht umklappen. Die kurzen Streifen waren für die vorderen Besatzstreifen:

DSC_0266 bDen Ausschnitt habe ich sehr verkürzt. Bei der vorgesehenen Länge wäre das mit der Spitze zu dick geworden:

DSC_0285 bVorne an der Einsatzkante gab das einen hübschen Abschluss:

DSC_0290 bDie langen Streifen waren für die Manschetten der Ärmel:

DSC_0334 bDurch die Art der Häkelspitze – die welligen Spitzen sind durch Fileteckchen von der einzunähenden Kante getrennt – schauen nach dem Einnähen nur die welligen Spitzen heraus.

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Der Batist und die Spitze zusammen ergaben eine Bluse, die ich gerne trage.

DSC_0387 bNoch kann mich mich nicht entscheiden, ob die Bluse eher “Hippie” (mein Mann) oder “trachtig” (ich) ist. Sie macht sich aber gut unter der neuen Strickjacke.

DSC_0403 bund wird dadurch wohl zu einer ganz normalen Bluse.

DSC_0415 bMehr Spitze wollte ich nicht – der untere Saum und die Passen hätten ja noch Möglichkeiten geboten. Doch ich wollte mit eher “altmodischen” Mitteln eine eher modernere Bluse nähen, da wäre das dann meiner Meinung nach zuviel geworden.

DSC_0393 bGut vorstellen könnte ich mir auch einen gemusterten Blusenstoff, die Spitze farblich abgestimmt.

Sicher lohnenswert ist es, sich die Werke der anderen Teilnehmerinnen der Stoffspielereien anzusehen. Vielen Dank an Karen (Feuerwerk bei KaZe) fürs Sammeln am heutigen Sonntag!

 

Liebe Grüße

Ines

 

Stoff
Batist: örtlicher Stoffladen
Garn: mein alter Vorrat

Schnitt
Blusenshirt Webware, lillesol women Nr. 6 von lillesol&pelle

verlinkt
Stoffspielereien bei KaZe

0 Gedanken zu „Stoffspielereien Oktober 2015: Spitzen

  1. KaZe

    Die selbstgehäkelte Spitze gefällt mir sehr und die Stellen, an denen sie jetzt eingesetzt ist, sind genau richtig wie ich finde. So eingefasst, sieht es total edel aus. Es ist es ein modernes Stück entstanden, ohne trachtig zu sein.Ich könnte mir auch Oberhemden vorstellen, die man mit dieser Spitzen umarbeitet. Der Ausflug in die Historie ist sehr schön und das Zitat würde ich so unterschreiben. Vielen Dank für deinen Spitzenbeitrag!
    VG Karen

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  2. griselda

    Großartig, du hast das an genau den richtigen Stellen platziert um die filigranen Durchbrüche über der Haut blitzen lassen zu können. Und das sparsam genug dosiert um das nicht zu niedlich wirken zu lassen.
    Ganz klar ein Punkt für die “strahlende Selbstinszenierung” deiner handwerklichen Fähigkeiten.
    Respekt!

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  3. Suschna

    Finde auch, dass du genau das richtige Maß Spitze gewählt hast. Für mich ist das weder hippie noch trachtig, eher wirklich sehr modern, weil die Spitze auch so grafisch ist. Perfekt ist, dass du alles genau einpassen konntest, denn das Zusammenfügen offener Enden ist ja ein Problem für sich. Danke auch für die Rückschau!

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    1. naehzimmerplaudereien Beitragsautor

      Wenn ich mir vorstelle, was ich in meiner Teenie- und Studentenzeit alles gehäkelt und gestrickt habe ist das recht wenig. Damals habe ich viele Deckchen, Kissen, R´Tischläufer gemacht und zur Krönung des Ganzen dann noch Klöppeln gelernt…
      Liebe Grüße
      Ines

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  4. Martina Hadaller

    Das Zitat ist gut. Spitze hat seinen Zweck verloren und wird irgendwie nur noch als altomodisch angesehen. Da stemmt sich Deine Bluse schön dagegen! Ein Keyhole im Nacken eines T-Shirts mit Spitze hinterlegt könnte ich mir auch gut vorstellen.
    LG
    Martina

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  5. Gabi

    Danke für diesen lyrischen Text oben, und die Bluse finde ich klasse! Ganz schlicht und gerade deshalb sehr edel. Gar nicht trachtig (wobei es für mich immer darauf ankommt, von welcher Sorte Tracht wir sprechen: schrille Wies’n Tracht oder edle traditionelle Tracht?). Nein, Deine Bluse ist wunderhübsch geworden! lg, Gabi

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  6. Pingback: Lieblingskleidung 2015 – ein Rückblick | Nähzimmerplaudereien

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